Bild: koer
Sie trafen sich immer abends bei der
alten Kaufhalle, im Winkel des alten Ortsteiles, wo die Luft noch roch und die
Sterne sichtbar waren. Sie waren immer ausgehungert von dem Tag, der in seiner
unnachgiebigen Zähigkeit an ihnen gezerrt hatte. Und wenn das blaue Licht das
rote ersetzte, trafen sie sich. Dann glitten sie durch die engen Gänge der
Regale, die voll gestopft waren mit wächsernen Früchten, staubigen Broten und
blutendem Fleisch. Und ihr Hunger kannte keine Grenzen, auch wenn ihr Speichel
verdorrt war, wie ein Flussbett in der Wüste. Sie hatte ihren Tag damit
verbracht, die Tropfen zu zählen, die sie zusammenhalten sollten, wie Klebstoff
ein zerbrochenes Glas, das noch zu gut war, um es wegzuwerfen, aus dem man noch
trinken konnte, wenn auch schnell, damit die Flüssigkeit sich nicht durch die Ritzen
verflüchtigen konnte. Sie hatte ihren Tag damit verbracht, vor dem Rechner zu
sitzen, damit irgendetwas passierte, damit sie diese Langeweile dazu trieb,
etwas zu tun, damit sie ein Wort an das andere reihte, damit sich die Seiten
füllten, damit sie ihren Eltern sagen konnte, ich habe etwas erreicht. Er hatte seinen Tag damit verbracht, die
Jungtiere im Labor zu töten, ihre Schädel an Waschbecken zu zertrümmern, und
obwohl er diese Arbeit mochte, keine Befriedigung darin fand. Er hatte seinen
Tag damit verbracht, nicht an seinen Vater zu denken, der ihn einst genauso zertrümmert
hatte. Während sie das blutende Fleisch von den Haken nahmen und in ihre Beutel
packten, musste sie daran denken, wie sie ihn kennen gelernt hatte. Wie sie ihn
kennen gelernt hatte im Labor der Universität. Wie das kalte blaue Licht seine
dunklen Augenhöhlen nicht auszuleuchten vermochten, wie er sie immer fixierte,
wenn er seine Proben in den Kühlraum brachte. Dann wünschte sie sich, mit ihren
Fingern über seine Augenbrauen zu fahren und mit ihren Lippen seine Lider zu
berühren, um diese Schwärze zu kosten. Sie wusste nicht mehr wie, aber sie
kamen ins Gespräch. Über die Versuchsreihe, über ihre Eltern. Das könnten sie
ein anderes Mal besprechen, antwortete er ihr auf ihre Offenheit, von der sie
nicht wusste, warum sie einfach so aus ihr ausgebrochen war, wie sie sich durch
die raue Kehle zwischen ihre Zunge und den Gaumen gepresst hatte. Die Taschen
voll gepackt mit dem Fleisch gingen sie zu ihr, wo es heller war, wo es weiter
weg war von der Stadt und dem Labor. Wo sie sich beide einzureden versuchten,
dass sie einander halten konnten, wie der Klebstoff das Glas, das zerbrochen
war, aber noch zu gut, um es wegzuwerfen. Und sie brieten das Fleisch in heißem
Fett, wo sie still dem Brutzeln und Zischen zuhörten und die Spritzer
beobachten, die sich auf den weißen Fliesen sammelten. Und sie beobachteten,
wie das Blut sich braun zerklumpte und in dem Fett zu knusprigen, fast
schwarzen Brocken wurde, aus denen sie ihm dann seine Zukunft lesen würde. Die
Brocken waren immer das Beste, sie kratzten sie mit dem Messer aus der Pfanne
aus, und aßen sie so gierig, dass ihnen das Fett an den Mundwinkeln über das
Kinn heruntertriefte. Denn sie waren ausgehungert von dem Tag, der in seiner
unnachgiebigen Zähigkeit an ihnen gezerrt hatte.
Text: meo
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